20.10.2017 19:00

Multimedialesung "Nura Draam in am Draam?" - 20.10.2017 im Café "Alt Wien" Dortmund

So etwas habe ich vorher noch nicht gesehen, eine "Multimedialesung". Das einzige "Wiener Eckchen" in Dortmund, das Café Alt Wien, war verdunkelt und nur die Kerzen auf den Tischen mit den gemütlichen Fauteuils gaben Licht. Dazu hatten die Besucher Melange und Apfelstrudel oder Palatschinken bestellt.

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Der Autor Marco Toccato hat Technik aufgebaut, PC, Beamer, Lautsprecher und Leinwand. Doch das fiel nicht auf und störte das gemütliche Bild nicht. Es begann ein Film, der einen quasi "nach Wien hineinzog". Man sah die prächtigen Gebäude, den Heurigen, fuhr mit der "Bim", wie die Straßenbahn wohl genannt wird und begab sich auf den schaurigen "Friedhof der Namenlosen", wo die begraben sind, die man aus der Donau zog.

Toccato fasste die Vorgeschichte zusammen: Ein braver Kerl arbeitet mit einem Haudrauf zusammen. Es läuft nicht gut mit den beiden, aber der Beratungsauftrag muss erfolgreich abgeschlossen werden. Nach über zwanzig Jahren, in denen der brave Anton Aufträge vom schlimmen Fred vermittelt bekommen hat, sind sie nun am selben Auftrag gemeinsam beschäftigt und streiten sich. Anton würde am liebsten alles hinschmeissen, aber dann hätte er keine Einkünfte mehr.

Ganz nebenbei erzählt ihm Fred, dass er und seine Frau zu Swingertreffs gehen, was er Anton als probates Mittel für eine "spannende Ehe" anpreist.

Nach der Arbeitswoche kehrt Anton nach Hause zu seiner Dorothee zurück. Dorothee hat alles, ein schönes Haus, die Kinder sind erwachsen, erfolgreich und aus dem Haus und sie überlegt, ob sie die Blumen arrangiert, putzt oder irgendwas macht, was ihr über ihre Zweifel hinweghilft. Hat sie es richtig gemacht, als sie Anton geheiratet hat? War es richtig, ihm immer treu zu bleiben oder hätte sie schon tausend Liebhaber haben können? Sie ist nie in einem Cabrio durch Paris gefahren worden und hatte nie den warmen Wind in ihren Haaren gespürt. Sie merken schon, sie hört dauernd "The ballad of Lucy Jordan".

Anton hatte sich gefreut, zu ihr zu kommen, aber das Lied tönt schon aus der offenen Tür. Nicht nur das, Dorothee sagt ihm, dass Fred sie beide zu einem langen Wochenende zu viert nach Wien eingeladen hat. Sofort schießt ihm die Swinger-Geschichte durch den Kopf. Dorothee kann er nichts davon sagen, dann kommt sie nicht mit und ohne sie wird nichts aus dem Treffen und ohne das Treffen wird nichts aus den zukünftigen Aufträgen.

Sie fahren, Anton sagt Dorothee nichts. Sie treffen Fred und Margret in feudaler Umgebung und für Anton beginnt eine unvorstellbare Qual. Fred hält nicht hinter dem Berg mit seinen Absichten. In einem ehemaligen Puff, der für Partys gemietet werden kann, geht's hoch her und Fred setzt Anton eine Frist. Anton hat einen Filmriss, ihm muss jemand KO-Tropfen oder sowas gegeben haben. Sissy, eine Prostituierte und geübte Poledance-Sportlerin kümmert sich um ihn. Er verliebt sich. Nachts um halb zwei steht er auf der Josefstädter Straße und trifft erstmals Itzhak Rosenstein, den Taxler, der ihn zum Hawelka bringt.

Dort erzählt ihm ein alter Freund, Jerzy von den "Adamiten", die sich in herrschaftlichen Villen treffen und wüste Feste feiern. Anton will dahin und schafft es auch mit Jerzys Hilfe. Er wird eindringlich von einer der nackten Schönen gewarnt. Ist es Sissy? Doch er schlägt die Warnung in den Wind, wird erkannt und ihm wird eine schwere Strafe angedroht, die sogar seinen Tod bedeuten könnte. Die Schöne springt ein, obwohl er es ablehnt. Doch damit kommt er frei und wird aus der Villa geworfen. Zu Fuß geht er zurück, schellt bei Sissy, aber sie ist nicht da. Im Hotel zitiert der Nachtportier Edgar Allan Poe "A dream within a dream", eben "Nura Draam in am Draam?" wie er es übersetzt hat. Brillant die Sprachaufnahmen, die Michael Cadek, der Inhaber des Cafés eingesprochen hat. A ächta Weaner eben.

Im Hotelzimmer wacht Dorothee aus einem wilden Traum auf (Achtung! Traumnovelle!). Sie beschreibt ihn Anton und er stellt fest, dass sie von dem Adamitenfest geträumt haben muss. Kann das sein? Sein Gemütszustand schwankt von Panik über Lust zu Eifersucht, denn Fred war es, der Dorothee durch die Nacht im weißen Cabrio durch Wien zu dem Fest gefahren hatte. Er hat den Eindruck, sie fällt ihm in den Rücken, ohne es zu wissen.

Es folgen Ereignisse bei denen Anton zweifelt, dass sie Realität sind. Träumt er? "Imma bringt ihn der Taxler wo hin". Es eskaliert, deutet Marco Toccato an. Er holt mich auch in die Realität zurück, denn den Rest muss man selbst lesen.

Ich war in Wien an allen Plätzen, als wäre ich Anton gewesen. Und dann dieser Walzer N° 2 aus der "Suite für Jazzorchester" von Dmitri Schostakowitsch. Den werde ich wohl noch am Sonntag im Kopf haben, dachte ich, was stimmt.

Wenn Toccato das irgendwo nochmal macht, bin ich dabei! Er hat Ausschnitte ins Netz gestellt (siehe oben). Viel Spaß beim Ansehen.